Wirkungsbeobachtung: Gartenprojekt Haiti

Im Januar 2010 zerstörte ein verheerendes Erdbeben große Teile Haitis. Helping Hands unterstützte den örtlichen Partner damals besonders in der längerfristigen Wiederaufbauhilfe. Dazu gehörte ein Gartenprojekt mit mehreren „community gardens“ in der Gegend um Barreau Michel; einer der Ziele des Projektes war es, den Bergbewohnern Einkommensmöglichkeiten zu schaffen, sodass Migration reduziert werden kann. Das Projekt wurde später noch ausgeweitet und umfasste 290 bedürftige Familien in Barreau Michel und Leogane, denen u.a. durch Schulungen, Verteilung von Werkzeugen und Saatgut Nahrungssicherheit ermöglicht werden sollte; außerdem erhielten einige Familien Ziegen und Hühner für Zucht. Das Projekt beinhaltete auch Umweltmaßnahmen (u.a. Wiederaufforstung) und das Formen einer Kooperative (ähnlich wie Selbsthilfegruppen).

Das Projekt hat der Zielgruppe Hoffnung geschenkt und sie gelehrt, eigene Entscheidungen zu treffen. Neben dem erlernten Wissen wurden auch Beziehungen gestärkt. Der örtliche Partner wird als Entität von transformativer Entwicklung angesehen. In zwei Berichten von 2013 und 2014 berichtete der örtliche Partner über die Wirkungen und Umsetzung der Erkenntnisse.

Bildungsstand der Zielgruppe

Schulungen müssen an den Bildungsstand der Teilnehmer angepasst werden. Zahlreiche Teilnehmer waren Analphabeten. Daher wurden Lehrinhalte teilweise vereinfacht und eine starke praktische Komponente eingebaut. Für manche war es schwierig, die traditionellen Techniken des Pflanzens und Gärtnerns an neue Erkenntnisse anzupassen. Neue Erkenntnisse beinhalteten vor allem auch umweltfreundliche Techniken – Kompostherstellung, weniger Benutzung von Holzkohle, Bau von Stützmauern (u.a. um Erdrutsche zu vermeiden), Erhaltung des Bodens (soil preservation), Sauberhaltung des Trinkwassers bzw. der Wasserstellen (besonders wichtig, da die Choleraepidemie noch nicht völlig eingedämmt war), etc.

Kultur der Zielgruppe

Die Schulungen und Arbeitsweise müssen an die Kultur der Teilnehmer angepasst werden und darin anknüpfen. In Haiti ist es normal, mit Familienmitgliedern und guten Freunden zu teilen. Durch die Schulungen und die Kooperative jedoch wurde eine neue Mentalität vermittelt, in der auch mit den Nachbarn bzw. anderen Mitgliedern der Dorfgemeinschaft geteilt wird, nach dem Prinzip: Wenn ich eine Ziege erhalte, gebe ich eine Ziege an meinen Nachbarn weiter; wenn ich zwei Dosen Saatgut erhalte, gebe ich zwei Dosen Saatgut an meinen Nachbarn weiter. Die Teilnehmer haben verstanden, dass es dabei nicht nur darum geht, Güter weiterzugeben, sondern besonders auch erlerntes Wissen.

Das Projekt nutzte die bereits kulturell vorgegebene Kultur des Teilens und weitete sie auf die Dorfgemeinschaft aus; dadurch wurde auch Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein und zukunftsorientiertes Denken gestärkt, da die Familien nicht nur für sich selbst z.B. gut für ihre Ziegen sorgten, sondern auch, weil sie dem Nächsten eine Ziege weitergeben wollten. In der Zukunft möchte der örtliche Partner die Umsetzung der Projektvorhaben noch besser kontextualisieren, vor allem auch, da viele Mitglieder der Zielgruppe ihre Bedürfnisse selbst gar nicht richtig artikulieren konnten. Auf der anderen Seite konnte das Projekt und die Schulungen auch die Weltanschauung der Teilnehmer erweitern und neue kulturelle Erkenntnisse liefern.

Es wurde auch beobachtet, dass sich durch das Projekt die Rolle der Frau in der Gesellschaft verbesserte und die Mitglieder der Zielgruppe verstanden, dass Mann und Frau gleichberechtigt sind und die Frau eine wichtige Rolle spielt, sowohl in der Dorfgemeinschaft als auch in der Ehe. In diesem Zusammenhang lernten die Teilnehmer auch, wie sie mit Konflikten besser umgehen können.

Äußere Faktoren

Der örtliche Partner erkannte, dass der Erfolg eines Projektes dieser Art von einigen äußeren Faktoren abhängig ist. Zum Beispiel kamen im Wirbelsturm im Herbst 2012 einige Ziegen um und mussten ersetzt werden. In Leogane wurde das Saatgut zu spät ausgegeben, sodass die Pflanzen nicht genügend Wasser bekamen und die Ernte nicht so gut war. Für viele Familien war auch der Zugang zu Wasserquellen schwierig: In Barreau Michel z.B. müssen einige Familien zwei Stunden laufen, um Wasser zu holen; das beeinträchtigte den Gartenbau und die Ernte war nicht so groß. Darüber hinaus waren mehrere Familien bzw. Dörfer sehr weit draußen und isoliert. Die Familien nahmen trotz einer Stunde Fußmarsch an den Schulungen teil, jedoch konnte man einen deutlichen Unterschied im Denken und im Bildungs- und Gesundheitsstatus der Familien aus isolierten Gebieten erkennen; diese Unterschiede in der Armutsstufe und im Denken bildeten eine Herausforderung für die Schulungsleiter.

Unerwartete Resultate

Zu den unerwarteten Resultaten des Projektes gehörte u.a., dass die Familien in Barreau Michel eine Kooperative gründeten (das war ursprünglich nicht im Projektantrag vorgesehen). Die Kooperative tat sich zusammen und verkaufte Kaffee-Saatgut und kaufte vom Erlös drei Schweine, um sie zu züchten. Außerdem spendeten die Familien 40 Dosen Mais-Saatgut an die Kooperative, die wiederum 35 Dosen an bedürftige Familien weitergab und den Rest im Modellgarten anpflanzte. Weiter war geplant, 80 Dosen Saatgut zu verkaufen, um die nötigen Utensilien für eine Bäckerei zu kaufen. In Leogane wurden zudem in Initiative der Dorfbewohner entschieden, Leitungspersonen aus der Dorfgemeinschaft zu wählen, um die Weitergabe der Ziegen zu koordinieren.

Umsetzung der Erkenntnisse

Als Umsetzung der Wirkungsbeobachtungen wurde u.a. in einer Verlängerung des Projektes geplant, Schulungen in Katastrophenvorsorge anzubieten, die Zielgruppe und Kooperative öfter zu besuchen (ein besseres System fürs Monitoring zu entwickeln), im Modellgarten Bäume anzupflanzen und weitere Ziegen zu kaufen/verteilen (es wurde festgestellt, dass die Konzentration auf wenigere Familien und dafür mehr Ziegen bzw. Hühner pro Familie besser gewesen wäre, damit diese Familien wirklich finanziell unabhängig werden können). Außerdem möchte der örtliche Partner in der Zukunft die Meinungen und Kapazitäten der Zielgruppe noch viel stärker in die Planung mit einbinden.

Einige Kommentare der Zielgruppe:

“Wir leben besser als vorher. Wir wurden geschult, wir haben Ziegen, Saatgut und eine Maismühle. Wir möchten an unsere Nachbarn weitergeben.” (Flerius, Mitglied der Kooperative in Barreau Michel)

“Jetzt kennen wir viele Techniken für Gärten und Saatgut. Ich weiß nun, dass ich als Frau alles tun kann, was ein Mann tut, und mit ihm gleichberechtigt bin.” (Eva aus Leogane)

“Wir haben Ziegen. Es wird eine neue Zielgruppe geben. Wir erwarten, dass alle Familien in unserem Dorf irgendwann Ziegen haben. Die Menschen haben untereinander jetzt bessere Beziehungen. Unsere Gärten sind besser.” (Louise aus Leogane)

“Wir wissen jetzt, wie wir uns am besten um die Umwelt kümmern können. Wir sind als Gruppe stark; und wir lehren in den Familien.” (Jean-Louis aus Leogane)

 

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