Zeit für Neue Wege

Ein paar Wochen nach Projektstart sprießt bereits das erste Grün. Und damit die Hoffnung.

Es sind 38 Grad. Die Luft schmeckt nach roter Erde, verbranntem Müll und einer guten Portion Ruß und CO2 – ausgestoßen von dem 60 Jahre alten LKW, der auf der Hauptstraße gerade mit einem Schlagloch kämpft, das ihn zu verschlucken versucht. Am Straßenrand sieht man ein ehrliches Kinderlachen. Der Blick der Mutter ist trüb, ihre Augen sind gekennzeichnet von der Härte des Lebens hier in Andranovory, von Mangelernährung und von Hoffnungslosigkeit.

Noch ist die Gegend grün und täuscht etwas über die eigentliche Situation hinweg. Ca. ein bis zwei Monate im Jahr gibt es hier Regen, doch der hat nun vor ein paar Wochen aufgehört. Noch einmal ein paar Wochen und es ist alles trocken. Und das dann für die restliche Zeit des Jahres. Die Wassernot begegnet einem schon viele Kilometer vor Andranovory. Die Menschen am Straßenrand der RN7, die sich von der Hauptstadt oben im Hochland runter in den Süden des Landes schlängelt, bitten hier nicht mehr nach Geld oder versuchen jedem vorbeifahrenden Auto etwas zu verkaufen, sondern sie bitten mit bestimmten Handzeichen nach Wasser.

Der Weg, den viele Menschen hier gehen müssen, um Wasser zu finden, ist weit. Oft auch teuer, wenn sie dafür sogar eine Fahrt mit dem Taxibus nehmen müssen. Die meisten haben am Tag nicht mehr als 10-15.000 Ariary zur Verfügung, um davon die Familie zu versorgen. Das sind ungefähr 3 Euro. Und zu einer Familie gehören oft bis zu 10 Personen.

„Als wir Andranovory zum ersten Mal sahen, spürten wir die Armut und wollten einfach mit Lebensmitteln helfen. Aber wir merkten, dass es nicht hilft, wenn wir jedes Jahr nur ein wenig geben“, berichtet Therese. Und ihr Mann Richard ergänzt: „Als ich das Land sah, das flach ist und auf dem es nichts gibt, fragte ich mich: Warum gibt es dort nichts? Warum denken die Leute nicht daran, zu pflanzen? Sie brauchen eine neue Art zu denken, das alte System loszuwerden. Wie können wir mit dem, was da ist, einen neuen Weg finden?“

Ein Gespräch mit einem befreundeten Landwirt öffnete ihnen den Blick dafür, was mit dem neuen Wissen der städtischen Universitäten möglich ist. Und so wollen sie nun auch den Menschen in Andranovory nicht nur den Blick für neue Wege öffnen, sondern auch das nötige Startkapital in Form von Werkzeugen und Saatgut bereitstellen.

Mittlerweile sind fünf Gruppen mit jeweils 30 Personen in das Projekt eingebunden. In diesen teilen sie sich das Werkzeug und verteilen das Saatgut, unterstützen sich gegenseitig und legen gemeinsame Beete an. Zwei landwirtschaftliche Schulungsleiter, die an der Universität in der Hauptstadt Antananarivo ausgebildet wurden, geben die Schulungen und besuchen die Gruppen alle 1,5 – 2 Monate, um nach dem Fortschritt zu schauen, zu helfen, an das Gelernte zu erinnern und abzuschätzen, welche Methoden und welches Saatgut unter den jeweiligen Umständen angebracht sind.

Dila, einer der Teilnehmer, der bereits vor zwei Jahren in einer ersten Testphase offen für diesen neuen Weg gewesen ist, erzählt begeistert: „Früher musste ich ständig neuen Dünger kaufen und die Preise dafür sind Jahr für Jahr gestiegen. Außerdem hat er den Boden von meinem Land kaputt gemacht. Heute habe ich gelernt, dass ich natürlichen Kompost das ganze Jahr über produzieren kann, der die Erde schont und das Gemüse besser wachsen lässt. Und ich weiß jetzt, dass es hier Bäume gibt, die ich zur Schädlingsbekämpfung nutzen kann.“

Neben den Schulungsleitern kümmern sich 5 lokale Leiter um die Projekt-Gruppen, sie koordinieren die Verteilungen, organisieren Treffen und sind in ständigem Austausch mit Therese und Richard. Sie vertreten obendrein die Interessen der Gruppe bei der lokalen Regierung. Durch diese Netzwerkarbeit konnte kürzlich in Zusammenarbeit mit einer anderen NGO die Arbeit an einem Kanal gestartet werden, der sauberes Wasser eines 12km entfernten Flusses nach Andranovory bringen und das Dorf das ganze Jahr über mit Wasser versorgen soll.

Der Projektstart ist zwar erst ein paar Wochen her, aber so sind die ersten Früchte bereits sichtbar. Auch auf den neugepflanzten Beeten drückt sich schon das erste Grün aus der Erde und lässt so die Hoffnung wachsen. Die Grundlagen für eine nachhaltige Ernährungssicherung in Andranovory sind gelegt und Therese und Richard planen bereits, wie sie das in weiteren umliegenden Dörfern umsetzen können. Dabei ist ihnen bewusst, dass sich auch in Andranovory erst noch zeigen muss, wie dieser neue Weg angenommen wird. „Die Leute hier sind skeptisch. Über Generationen haben sie die Dinge immer auf die gleiche Art und Weise gemacht. Außerdem gibt es viele Traditionen und Bräuche, die sie darin hindern, von den alten Wegen abzuweichen“, erklärt Richard und fährt fort, „Dafür braucht es neben einer neuen Art und Weise der Landwirtschaft auch eine Erneuerung des Geistes. Eine neue Hoffnung. Aufklärung. Und viele kleine Erfolgsgeschichten, damit die Leute sehen: Oh, das funktioniert ja.“

Daran arbeitet er mit Therese unermüdlich. Neben den eigentlichen Schulungseinheiten laufen sie gemeinsam bei jedem Besuch von Haus zu Haus, suchen das Gespräch, informieren und ermutigen. Ihre Vision ist, dass die Menschen in Andranovory und Umgebung eines Tages so viel produzieren können, dass sie nicht nur sich selbst und ihre Familien damit das ganze Jahr über versorgen können, sondern, dass sie sogar die ganze nächste große Stadt mit Gemüse versorgen können, um so ihr Einkommen verbessern zu können.

Gemeinsam mit Therese und Richard arbeiten wir daran, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Wenn auch Sie mithelfen möchten, dass Menschen in Andranovory neue Wege gehen können, dann spenden Sie bitte mit Vermerk „Ernährungssicherung Madagaskar“.

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