Wem die Zukunft gehört

Reisebericht aus Khotang, Nepal

„Die Zukunft gehört denen, die an die Schönheit ihrer Träume glauben.“ (Eleanor Roosevelt)

So einfach ist es zwar meist nicht. Aber für Dorjeman nimmt diese Zukunft Form an. Denn Dorjeman hat einen Traum. Ein Traum, der auf den ersten Blick vielleicht lächerlich wirkt:

Das winzige Dorf Kurle, in dem Dorjeman lebt, ist nicht für Träume gemacht. Idyllisch mag es sein, so zwischen den nepalesischen „Hügeln“ gelegen, aber völlig abgeschieden – auf dem Weg hierher sind wir mehrere Stunden entlang schmaler Bergpfade geklettert. Strom gibt es keinen und die beruflichen Chancen sind mager. Schulkinder müssen ab der 5. Klasse entweder bei Verwandten unterkommen oder sieben bis acht Stunden zu Fuß laufen, täglich. Und es ist extrem trocken; obwohl das Dorf direkt am Sunkoshi-Fluss liegt, wirken die Felder eher wie Wüste, hier und da halten monströse Kakteen Wache über das verdorrte Gras.

Und hier möchte Dorjeman ein Marktzentrum etablieren? Denn das ist sein Traum: „Wir wollen hier einen Markt aufbauen, denn an diesem Punkt treffen drei Bezirke aufeinander. Und auf der anderen Seite des Flusses sind große Dörfer – seit zwei Jahren haben wir ja die Brücke. Wenn wir einen Markt schaffen, dann werden die Leute kommen und hier kaufen.“

Dorjemans Traum ist nicht nur Wunschdenken, sondern das erhoffte Ziel von harter Arbeit. Denn einiges hat sich schon getan in Kurle! Ende 2021, als das von Helping Hands und der deutschen Bundesregierung geförderte Dorfentwicklungsprogramm im Khotang-Bezirk begann, wurden auch in Kurle sieben Haushalte ausgewählt, an dem Projekt teilzunehmen. Mitte 2022 erhielten sie Zuchttiere, um ihr Einkommen zu verbessern.

Aber gemeinsam ist besser! In Kurle schlossen sich vier Haushalte zusammen, um gemeinsam eine Schweinefarm zu eröffnen – „Es ist nicht so einfach, alleine ein großes Unternehmen aufzubauen“, erklärt Dorjeman, „also haben wir beschlossen, uns zusammenzutun.“ Als die Schweine kamen, hatten Dorjeman, Babita, Sandip und Krishna bereits einen ziemlich beeindruckenden Stall für die Tiere gemauert. Siebzehn Schweine halten sie jetzt dort, in allen erdenklichen Formen und Farben, groß und klein, weiß, braun, schwarz, gefleckt … und in erstaunlich sauberer und artgerechter Umgebung. Ums Füttern und Sorgen kümmern sie sich abwechselnd; wenn ein Schwein verkauft wird, teilen sie sich den Gewinn.

Und das ist noch nicht alles! Denn ein Markt, auf dem nur Schweine verkauft werden, ist doch eher begrenzt. Deshalb hat Dorjeman noch viele andere gute Ideen. „Wir wollen auch eine Agro-Farm aufbauen und Gemüse für den Markt hinzufügen“, sagt er. Dafür zeigt er uns seine Gemüsefelder. Dort wachsen Tomaten üppig in einem adaptierten Folientunnel; auch Bananen, Salat, Rettich, Okra und Kürbisse kann er derzeit anbieten.

Zwar ist bisher die Bewässerung noch ein Problem. Obwohl der Fluss so nahe ist, ist die Gegend extrem trocken. Wiederholte Male wurde den Bewohnern ein Wasseranschluss per Rohr versprochen, aber nie umgesetzt; eine Pumpe für Flusswasser gibt es auch nicht. Doch im Rahmen unseres Projektes wurde allen teilnehmenden Haushalten eine Plastikplane für einen Teich gegeben, um Regenwasser und Abwasser zu sammeln. Das hilft schon sehr, denn im Teich können sich Verunreinigungen absetzen, sodass das Wasser sogar für eine Sprinkleranlage genutzt werden kann. Und als Folge unseres Besuches soll Rohranschluss an einen knapp zwei Kilometer entfernten Bach hergestellt werden, wodurch alle Haushalte mit genügend Wasser versorgt werden können. „Träume für unser Dorf?“, sagen sie, als wir fragen. „Ganz einfach: Strom, und ausreichende Bewässerung.“

Neben dem Gemüseanbau hat Dorjeman auch eine Hühnerfarm etabliert. In einem Stall tummeln sich 60 fünf-Tage-alte Küken, daneben stolzieren etwas ältere Masthähnchen herum. Bereits nach 45 Tagen können sie verkauft werden und bringen knapp 3 Euro pro Kilo ein.

Die Hühnerfarm hat Dorjeman auf eigene Kosten aufgebaut, nachdem er entsprechende Schulungen im Projekt besucht hat. Denn die Projektteilnehmer lernen nicht nur, wie sie ihre gewählte Viehzucht ertragreicher betreiben können, sondern erhalten Wissen zu jeglicher lokal relevanter Viehzucht sowie Gemüseanbau. Und das macht enorm viel aus!

„Bevor das Projekt angefangen hat, hatte ich gar keine Kenntnisse – ich hatte noch nie Schulungen besucht, nur eben etwas Erfahrung“, berichtet Dorjeman. „Die Schulungen sind sehr nützlich für mich. Zum Beispiel hatte ich vorher Tomaten angepflanzt, und sie sind alle eingegangen. Nach der Schulung hab ich sie nochmal anders gepflanzt und jetzt wachsen sie sehr gut! Alles, was wir lernen, ist hilfreich – wie ich mich richtig um das Vieh kümmere, das beste Futter; ich kann die Tiere jetzt sogar selbst behandeln, wenn sie krank sind. Vor dem Projekt hatte ich keine Ahnung über Viehzucht, Landwirtschaft, Gemüseanbau – aber jetzt weiß ich, wie all das erfolgreich umgesetzt werden kann!“

Eine ordentliche Portion Innovation, Fleiß, Kompetenz und Zuversicht – das ist der Stoff, aus dem Dorjemans Träume gemacht sind. Träume, die er auch eines Tages mit seinem zweijährigen Sohn teilen möchte – Jumsang heißt der Kleine, das bedeutet, „Sei bereit!“ Dorjemans Hoffnung für seinen Sohn ist so klar, wie sie einfach ist: „Wenn ich in diesen Gewerben gute Arbeit leiste, wird mein Sohn auch in das Geschäft einsteigen.“

Und auch das ist ja ein Ziel des Projektes: Dörfer so zu entwickeln, dass die Menschen vor Ort genügend zum Leben erwirtschaften können und nicht darauf angewiesen sind, für Gastarbeit ins Ausland zu gehen. Und natürlich auch, die Dörfer langfristig und nachhaltig zu entwickeln – nicht nur für ein paar Jahre, sondern für Generationen.

Dorjeman glaubt nicht nur an die Schönheit seiner Träume. Er setzt sie auch um – für Kurle und Khotang, und vor allem für die Zukunft – für seine Zukunft und für die Zukunft seines Sohnes Jumsang.

 

Das umfassende Dorfentwicklungsprojekt im Bezirk Khotang in Nepal wurde im Herbst 2021 begonnen und wird zu 75% vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert. Der Bericht basiert auf einem Besuch unserer internationalen Geschäftsführerin im November 2022.

Um den finanziellen Eigenanteil des Projektes zu begleichen, benötigen wir noch Unterstützung! Spenden bitte mit Vermerk „Nepal Khotang“ auf unser Konto bei der KSK Gelnhausen, IBAN: DE56 5075 0094 0000 022394 (zur Online-Spende).

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