Genug Geld ist nicht alles

Das Schechem-Home auf den Philippinen schenkt Kindern und Familien die Chance auf einen Neuanfang

Danilo* lebt seit einiger Zeit im „Schechem Home“. Anfangs machte der Elfjährige den Mitarbeitern viel Sorgen. Nicht nur hatte er Schwierigkeiten sich zu konzentrieren oder überhaupt mal stillzuhalten, er griff auch die anderen Kinder an, boxte sie oder brüllte Schimpfwörter. Wenn er spielte, handelten seine Spiele immer von Krieg und Totschlag.

Und das hat Gründe. Viele Jahre lebte Danilo ständig unter Angst, fühlte sich nie sicher. Vor allem seine Mutter misshandelte ihn, oft auch der Vater. „Wenn ich daran denke, bin ich ganz traurig“, sagt er, „und ich vermisse meine Tante, die mir immer geholfen hat. Ich mach mir Sorgen um sie, dass meine Eltern sie vielleicht bedrohen.“

Danilo ist eines der Kinder, die aus einer OSEC-Situation (online sexual exploitation of children) befreit und ins Schechem-Home in Manila, Philippinen, gebracht wurden. Dort hat er für eine Zeitlang eine Heimat und eine neue Familie gefunden. Über mehrere Monate hinweg wird ihm durch verschiedene Therapien geholfen, das Erlebte zu verarbeiten. Und das hat schon einen großen Unterschied gemacht. Zwar fängt er immer noch ab und zu eine Rauferei an oder zieht sich in eine Ecke zurück, um zu weinen – so ein Trauma ist eben nicht in ein paar Therapiestunden beseitigt. Aber meist ist er freundlich und ausgeglichen, und auch seine Spiele drehen sich nun um ein positives Thema, wie der Therapeut berichtet: „Meist geht es nun um seine Erfahrungen, nachdem er und seine Geschwister nach Schechem gebracht wurden – also um eine Zeit, in der er viel Freude erfahren durfte. Er kann jetzt seine Geschichte viel befreiter erzählen.“

Auch um andere Bedürfnisse kümmert sich Schechem: zum Beispiel lernen die Kinder bessere Hygiene und Ordnung und werden im akademischen Bereich gefördert. „Ich habe hier lesen und schreiben gelernt“, erzählt Danilo, „das konnte ich nämlich vorher noch nicht.“

Zurzeit wohnen 12 „befreite“ Kinder zwischen 0 und 17 Jahren im Schechem-Home; regelmäßig kommen neue hinzu. Neben allen Grundbedürfnissen inklusive Schulbildung stehen vor allem auch ihre psychosozialen Bedürfnisse im Mittelpunkt, und für jedes Kind wird ein individuelles Therapieprogramm ausgearbeitet. Dazu gehört unter anderem eine wöchentliche Einzeltherapiestunde, tägliche Förderung durch die Hauseltern sowie einmal pro Woche eine spielbasierte kognitive Therapie in der Gruppe. Auch andere Aktivitäten haben heilende Funktion: zum Beispiel pflanzen vier Geschwister gerne Gemüse in dem kleinen Garten des Hauses und freuen sich gemeinsam darüber, wie das Gemüse wächst, wodurch sich ihre Geschwisterbeziehung deutlich verbessert hat, denn vorher waren sie sich eher fremd.

Bevor es für ein Kind Zeit wird, das Schechem-Home zu verlassen, wird intensiv geprüft, welche Situation für das Kind am sichersten und förderlichsten ist. Manchmal muss ein Kind mit starken psychischen Einschränkungen in eine längerfristige Einrichtung für weitere therapeutische Behandlung überwiesen werden. Oft können andere Verwandte gefunden werden, zum Beispiel Großeltern, Onkel und Tanten, oder auch eine Pflegefamilie, die dem Kind ein sicheres Zuhause bieten.

Und immer wieder können die Kinder auch nach Hause zurück, weil die Eltern gelernt haben, ihr Kind richtig zu schützen. „Wir dachten, genügend Geld zu verdienen, damit alle unsere Kinder versorgt sind, ist das einzig wirklich wichtige für unsere Kinder“, erklärt eine Familie, die an Schulungen von Schechem teilgenommen hat. „Aber jetzt wissen wir, dass Sicherheit für die Kinder genauso wichtig ist. Dass wir als Familie zusammenhalten und mehr auf die Gefühle der Kinder achten und sie unterstützen. Genug Geld für den Lebensunterhalt zu haben ist nicht das einzige, was zählt!“

Auch die Familie von Andrea* ist bereit für einen Neuanfang. Vor einigen Wochen kamen sie in Schechem zu Besuch, machten verschiedene therapeutische Aufgaben zusammen und führten viele Gespräche, um die Familiensituation zu klären. Als Andrea von ihrem Vater die allererste Umarmung bekam, brach sie in Tränen aus.

Wo Danilos Zuhause in Zukunft sein wird, ist noch nicht geklärt. Aber dank Schechem hat er gelernt, mit traumatischen Erfahrungen und Erinnerungen umzugehen, und geht mit viel mehr Selbstbewusstsein und „Life Skills“ in seine Teenager-Jahre und in eine Zukunft, die nicht maßgeblich von den negativen Aspekten seiner Vergangenheit geprägt sein muss.

 

Das Schechem-Home ist unser Jahresprojekt 2022. Wenn Sie dieses Projekt unterstützen möchten, spenden Sie bitte mit Vermerk „Jahresprojekt 2022“ oder „Schechem Home“ (hier geht’s zur Online-Spende).

* Name geändert

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