Therapieprogramm an NES-Schule in Beirut bewirkt bemerkenswerte Veränderungen
Es ist bereits bitterer Alltag geworden in Beirut: das stetige Summen der Überwachungsdrohnen des Nachbarstaates, Explosionen in West-Beirut, Nachrichten über Angriffe und Gegenangriffe im Süden. Auch in dem Stadtteil, in dem sich die NES-Schule befindet, sind diese Geräusche des Krieges deutlich zu hören – für viele der Kinder und Familien eine tagtägliche Erinnerung an das Trauma, das sie durchlebt haben.
Da sind zum Beispiel die Kinder, die mit ihren Familien in West-Beirut lebten, als es regelmäßig bombardiert wurde. Ihre Häuser sind zerstört und die Familien haben sich eine Bleibe in der Nähe der Schule gesucht. Trotzdem können die Kinder nachts oft nicht schlafen; die Erinnerung an das Erlebte sitzt zu tief.
Und dann sind da Kinder wie die Zwillingsbrüder Damien* und Eric*, die, wie viele andere, mit ihren Familien aus dem Süden fliehen mussten und früh im letzten Schuljahr plötzlich vor der Tür der NES-Schule standen. Die Zweitklässler – voller Angst und Trauma der Bombenangriffe und erlebten Konflikte – waren sichtlich erleichtert, dass sie endlich in einer sicheren Umgebung waren.
Auch die Eltern leiden – und mit ihnen wiederum ihre Kinder. Etwa die Hälfte der Schüler in der NES und im STEP-Nachmittagsprogramm stammt aus syrischen Flüchtlingsfamilien. Zwar wurden viele der Kinder erst in Beirut geboren. Doch ihre Eltern haben das Trauma aus Syrien mitgebracht, und durch die aktuellen Ereignisse wird es immer wieder neu aufgewühlt. Eine Mutter brach in einer Gruppentherapie in Tränen aus und beschrieb ihre Reaktion beim größten Angriff vor einem Jahr, der in Beirut zu spüren war wie ein Erdbeben: „Ich saß auf dem Boden und weinte, denn plötzlich war ich wieder das junge Mädchen in Syrien, voller Angst vor den Bombenangriffen … mein kleines Kind kam zu mir und musste mich trösten, so eine schlechte Mutter bin ich!“
Um diesen Kindern und ihren Familien emotionale Heilung und eine angstfreie Zukunft zu ermöglichen – ihnen, und den vielen anderen, die extreme Wirtschaftskrise, Pandemie, Hafenexplosion und Erdbeben durchlebt haben – hat die NES-Schule im Frühjahr das Therapieprogramm begonnen, das wir als unser Jahresprojekt 2025 fördern. Schulungen und Gruppenangebote für Kinder, Eltern und Lehrer werden ergänzt durch Einzelgespräche mit Sarah, der Schulpsychologin; auch die syrische Mutter kam zwei Monate lang jeden Tag zu ihr und sie sprachen intensiv darüber, wir ihr Trauma ihren Alltag bestimmte.
Und schon nach kurzer Zeit hat das Programm einen großen Unterschied gemacht. Kinder und Eltern haben gelernt, ihre Gefühle bewusst einzugestehen und in Worte zu fassen, ihre Bedürfnisse klar zu benennen, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten und aktiv ihre emotionale Gesundheit zu fördern. Lehrer und Eltern haben zusätzlich gelernt, mit ihren Gefühlen und Erfahrungen so umzugehen, dass die Kinder davon ermutigt, nicht verängstigt werden. Die junge Mutter aus Syrien weiß nun, dass es völlig in Ordnung ist, solche Emotionen zu haben, dass sie darüber auch mit ihren Kindern sprechen darf, und deshalb keine schlechte Mutter ist!
Auch die Zwillingsbrüder Damien und Eric haben von der heilenden Atmosphäre und dem Therapieprogramm profitiert: „Von dem Moment an, als sie die Schule betraten, begann der Heilungsprozess. Sie gewöhnten sich schnell an die neue Umgebung, konnten wieder strukturiert lernen, wurden emotional, sozial und geistlich gefördert … Die Veränderung war bemerkenswert. Die Zwillinge holten nicht nur ihren Rückstand auf, sondern übertrafen sogar ihre Mitschüler. Die NES-Schule brachte ihnen den nötigen Frieden und die Heilung, um ihre Liebe zum Lernen – und zum Leben selbst – wieder zu entfachen.“
Nach einer erfolgreichen Pilotphase im Frühjahr hat die NES das Therapieprogramm fürs neue Schuljahr Ende September in geringerem Umfang gestartet. Noch fehlen die Mittel, das Programm fürs ganze Schuljahr bzw. in vollem Umfang umzusetzen. Die Kinder, Familien und Personal der NES-Schule in Beirut sind für jede Unterstützung dankbar! Bitte überweisen Sie mit Vermerk „NES Therapie“ oder „Jahresprojekt 2025“ (zur Online-Spende).
* Namen geändert. Das Foto zeigt eine gestellte Situation mit der Therapeutin.
