paXan 2014 Albanien

paXan 2014 Albanien:
Ein neuer Tag beginnt

Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne streifen über die Müllkippe, tauchen die fast fertigen Toilettenhäuschen in orangegoldenes Licht, während wir unsere selbstentworfenen Designer-Griffe an den Türen anbringen. Noch eine letzte Schraube wird festgedreht, dann versinkt die Sonne hinterm Hügel und wir treten zurück, betrachten zufrieden das Werk unserer Woche: zwei fertige Holzhäuschen, die als krönender Abschluss am oberen Ende der Roma-Siedlung in den Himmel ragen.

Während die Dämmerung die Müllkippe hinaufkriecht und wir die letzten Werkzeuge zusammensuchen, kommen langsam die anderen Teilnehmer des paXan-Teams den Hügel herauf, warten bei den Toilettenhäuschen, schauen zu, wie sich einer nach dem anderen die Roma-Familien einfinden: ein paar Mütter, einige junge Männer, die in coolen Brillen gespannt die Häuschen inspizieren, und die Kinder, die uns über die Woche ans Herz gewachsen sind. Im Kreis stehen wir zusammen, während Gesti, unser einheimischer Kollege, erklärt: Aus Deutschland sind sie gekommen, diese zehn jungen Leute hier, weil sie etwas für euch tun wollten, um euch sanitäre Anlagen und Zugang zu Wasser zu ermöglichen, weil sie euch zeigen möchten, dass ihr wichtig seid. Und die Roma nicken eifrig, deuten auf die Häuschen, lächeln uns zu: Wir haben ihnen zugeschaut, diese ganze Woche, wie sie geschuftet haben, für uns! Man sieht ihnen an, wie viel ihnen das bedeutet: nicht nur die fertigen Toilettenhäuschen, die sich in ihrem hellen, unbefleckten Holz klar vom schmutzigen Grau der Müllkippe abheben, sondern vor allem die Wertschätzung, die ihnen durch den Einsatz des Teams vermittelt wurde.

Und dann erzählt Gesti weiter, von dem, was noch kommt: Fließend Wasser für die Siedlung, aus dem Brunnen, an dem das Team ebenso unermüdlich gearbeitet hat und der in den nächsten Tagen fertiggestellt werden soll. Ein großes, wetterbeständiges Zelt, in dem an Wochentagen für die Kinder abends ein Kinderprogramm mit Hausaufgabenhilfe und weiteren Aktivitäten stattfinden wird, eine Art kleines Kinderzentrum. Und verschiedene Ausbildungsprogramme für die Jugendlichen, die Hoffnung vermitteln sollen und eine Chance, aus dem Teufelskreis der Armut auszubrechen. “Wir können doch nichts anderes als Müll sammeln und sortieren”, behaupten die Erwachsenen. “Aber unsere Kinder—die sollen es besser haben!” Wie wichtig ihnen das ist, das kann man ablesen an der echten Dankbarkeit, die aus ihren Gesichtern strahlt. Und noch etwas wird deutlich, an diesem dämmerigen Samstagabend auf der Müllkippe: Für diese Roma-Familien ist die Sonne nicht untergegangen. Ein neuer Tag beginnt, ein Morgen voller Hoffnung, mit neuen Chancen und Möglichkeiten auf echte, nachhaltige Veränderung.

Und auch wir als Team verlassen Albanien nicht unverändert. Zehn Tage haben wir gemeinsam in diesem Land verbracht, haben zusammen gelacht und geschuftet, geschwitzt und ausgeruht, mit den Kindern im Kinderprogramm gespielt und gesungen und gebastelt, haben Sand geschleppt und Zement gemischt, Bretter genagelt und Bohlen gesägt, Stein gemeißelt und Schutt geschippt, Wände gezimmert und Dächer befestigt und uns vier Meter tief durch steinharten Lehmboden im Brunnenloch gekämpft—und am Ende doch nicht gewusst, ob der Bauchmuskelkater von der Schufterei kommt oder vom vielen Lachen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, nach einer Woche Schweiß und harter Arbeit zufrieden auf das Werk unserer Hände zu schauen. Aber noch ermutigender ist es, die Dankbarkeit der Menschen zu sehen, denen wir dienen durften, und zu wissen, dass die lachenden und auch mal weinenden Kinder aus unserem Kinderprogramm auf eine Zukunft hoffen können, die nicht vom Müll gezeichnet ist.

Und schließlich ist es auch ein überwältigendes Erlebnis, erfahren zu dürfen, wie echte Teamarbeit aussieht: Wo jeder seine oder ihre diversen Talente an der richtigen Stelle einbringt, aber auch überall sonst unermüdlich mit anpackt und vollen Einsatz zeigt, wo jeder jeden unterstützt, ermutigt und eine helfende Hand reicht, wo alle angenommen sind, so wie sie sind, und wo am Ende eines langen, anstrengenden Tages dennoch genug Energie für eine heitere und entspannte Feedbackrunde übrig ist. Um einige Schweißtropfen und Lachtränen ärmer verlassen wir Tirana, aber unendlich bereichert an Erfahrungen und Eindrücken, an Erinnerungen und Freundschaften und echtem Erfolg.

Strahlend steigt die Sonne über den Horizont, als wir am Montagmorgen in Frankfurt landen. Ein neuer Tag beginnt, ein Morgen voller Hoffnung, an dem wir wissen dürfen, dass auch für die Roma-Familien auf „unserer“ Müllkippe in Tirana gerade die Sonne aufgegangen ist.

 

© 2014 Helping Hands e.V. Bitte diesen Bericht (auch nicht auszugsweise) nicht ohne schriftliche Genehmigung weiterverwenden.

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