Frage an Radio Eriwan:
Kann ein rostiger alter Container in zehn Tagen in ein hochwertiges Hühnerparadies verwandelt werden?
Radio Eriwan antwortet:
Im Prinzip Ja.
Man nehme: Zehn motivierte Jungerwachsene aus Deutschland und eine Anzahl motivierender Armenier, besagten sehr rostigen alten Container-aus-Erdbebenzeiten, zahlreiche Tassen armenischen Kaffee, etliche Paar Arbeitshandschuhe und diverse Schutzbrillen, etwa 25 Platten Styropor, ca. 15 neue verzinkte Stahlbleche, viele viele Schrauben und Nägel (gern auch Second-hand), mehrere Eimer Farbe (Sorte Hühner-konform), einige Sack Zement und gebrauchte Felsblöcke (auch als „Armenian block“ bekannt), ein paar Holzplanken (ebenfalls recycelt), einen Zaun mit Pfosten, eine Tür, einen Kran, zwei überdimensionale Leitern und 1x gutes deutsches Werkzeugsortiment (Importware).
Diese Zutaten vermengen, mit einer ordentlichen Portion Arbeitseifer pro Person, einer Prise Zerstörungswut, etwas Flexibilität (kann durch Kreativität ersetzt werden) und einer überdurchschnittlichen Menge Humor würzen, gut durchrühren und dann ein tägliches Monatsregenunwetter, vorzugsweise mit Regenbogen, vorsichtig unterheben. Fünf Stunden ruhen lassen.
Die Masse gleichmäßig auf acht Arbeitstage plus zwei Sonntage verteilen und dann bei 35 Grad im Schatten gut durchbraten. Zum Schluss noch mit wasserfester Farbe fröhlich-bunt verzieren.
Dieses Rezept probierte das paXan-Team 2015 im August in Armenien aus und konnte nach zehn Tagen mit großer Zufriedenheit das fertige Bauwerk bestaunen. Nach einem weiteren Tag geschichtlicher Erholungsreise im Schatten des Ararat machte sich das Team aus Gelnhausen, Hanau, Mainz und Worms dann auf die Heimreise ins Rhein-Main-Gebiet; diesmal ohne die fünfstündige Verspätung, die die Anreise zwölf Tage vorher schon zum ersten Abenteuer hatte werden lassen.
Zurück lässt das Team nicht nur ein fertiges Hühnergehege, sondern auch zahlreiche neue Freundschaften und hoffentlich gute Erinnerungen an die „crazy Germans“ – und außerdem neue Hoffnung und Perspektive für die Bewohner eines kleinen Ortes auf der nordwestarmenischen Hochebene: Zukunftsperspektiven, die dieses bitterlich arme Gebiet dringend nötig hat.
Denn Armenien wirkt auf den Besucher wie ein sterbendes Land. Das Ende der Sowjetunion, diverse wirtschaftliche und politische Krisen, ein verheerendes Erdbeben, das im Dezember 1988 die Provinz Shirak verwüstete und dessen Auswirkungen auf die lokale Infrastruktur und Industrie noch immer spürbar sind – all das trägt dazu bei, dass Armut und Arbeitslosigkeit vor allem im Nordwesten des Landes extrem hoch sind und immer mehr junge und auch ältere Armenier ihre Heimat verlassen müssen, um im Ausland genügend zu verdienen, dass sie wenigstens ihre Familien ernähren können.
Um dem entgegenzuwirken und den Menschen neue Perspektiven in ihrer Heimat zu eröffnen, begann der örtliche Partner von Helping Hands e.V. vor zwei Jahren ein Projekt, das den ärmsten Familien hilft, sich durch Hühnerzucht eine Existenz aufzubauen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern und auch ihre Ernährung zu verbessern. Mindestens 30 Familien profitieren von diesem Projekt, das jetzt im dritten Jahr läuft und schon guten Erfolg gezeigt hat.
Im Rahmen dieses Hühnerzuchtprojektes unterstützte das paXan-Team vom 14. bis 26. August tatkräftig die einheimischen Familien. Die meiste Zeit verbrachte das Team damit, einen Hühnerstall mit Außengehege für die örtliche Kirche des Nazareners zu bauen, die vor Ort als Projektpartner wirkt und sich durch die Hühnerzucht ein Einkommen verdienen möchte, um den Menschen ihrer Stadt noch effektiver helfen zu können. Außerdem kamen am Samstagmittag einige Familien des Projektes in die Gemeinde, wo ihnen in einer Vorführung gezeigt wurde, wie sie winterfeste Inkubatoren bauen können; das Material dafür wurde aus Deutschland mitgebracht.
Aber wie bei allen paXan-Einsätzen ging es auch bei paXan 2015 nicht nur ums „Anpacken“, sondern vor allem auch darum, mit den Menschen vor Ort Gemeinschaft zu haben und Wertschätzung zu vermitteln. Dafür beteiligte sich das Team an einem Kinderprogramm für etwa 60 Kinder des Ortes, in dem fünf Tage lang viel gesungen, gebastelt, gespielt und gelacht wurde. Außerdem konnten die Woche über viele neue Freundschaften geknüpft werden: beim Werken am Hühnerhaus, beim Genießen der vortrefflichen armenischen Mahlzeiten, bei sonntäglichen Ausflügen mit den einheimischen Jungerwachsenen, bei diversen Besuchen im Nachbarhaus (wo freundlicherweise eine zweite Dusche zur Verfügung gestellt wurde) oder auch bei der einen oder anderen Erkundungsreise ins „Magazin“. Alles in allem eine Zeit, die von viel Lachen, guter Gemeinschaft und kulturellem Austausch geprägt war. Zum Abschied stand allerseits die Frage im Raum: Und, kommt ihr nächstes Jahr wieder?
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