Vor sechs Jahren (2009–2010) konnte Bangladesh Nazarene Mission, Helping Hands‘ örtlicher Partner, mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Helping Hands e.V. im Südwesten Bangladeschs zwei Schulungszentren errichten; in Seetpur in der Provinz Satkhira und in Dapkhali in der Provinz Jessore. Parallel zum Bau wurde ein Entwicklungs- und Schulungsprogramm eingeleitet, das langfristige Veränderungen bewirken sollte, unter anderem durch die Gründung von Selbsthilfegruppen. Der Projektantrag hielt fest:
„Ausgrenzung und Armut können nur überwunden werden, wenn die Rahmenbedingungen verändert und die Voraussetzungen für eine aktive soziale Teilhabe geschaffen werden. Entscheidend dafür sind: Veränderung des Selbstbewusstseins, Erweiterung der Kenntnisse, Verstärkung der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und schulischen Basis sowie eine begleitende Betreuung.“
Inzwischen ist das Projekt schon längst in die Hände des örtlichen Partners bzw. der Dorfbewohner übergeben worden. Und die erhoffte langfristige Veränderung kann jetzt, fünf Jahre nach Ende der Projektlaufzeit, an zahlreichen Stellen beobachtet werden. Nachfolgend sind die Berichte von zwei Frauen aus Seetpur, deren Leben durch Selbsthilfegruppen verändert wurden und deren Kinder weiterhin vom Kinderzentrum in Seetpur profitieren, das parallel zum Projekt begonnen und anfangs ebenfalls von Helping Hands finanziell unterstützt wurde.
Die folgenden Geschichten wurden direkt aus dem Originalbericht übersetzt.
Jhorna erzählt im November 2014:
Jhorna lief den schmalen, matschigen Pfad entlang und weinte. Eine Lehrerin des Seetpur Kinderzentrums hielt sie an und fragte, was denn passiert sei? Jhorna wischte ihre Tränen weg und erklärte: “Mein Mann will nicht arbeiten gehen. Er ist Alkoholiker und macht unser Leben zur Qual. Er schlägt mich auch oft.” Sie erzählte auch, dass sie ihren Kindern die letzten zwei Tage nichts zu essen geben konnte, weil sie kein Geld hatte. Die Familie lebt in extremer Armut. Manchmal helfen Jhorna und ihr Mann als Tagelöhner auf Feldern, aber die Hälfte der Zeit haben sie gar keine Arbeit.
Die Lehrerin lud Jhorna zum Treffen einer Selbsthilfegruppe ein. Gleich am nächsten Tag ging Jhorna dorthin und lernte die Gruppe kennen. Sie war sehr interessiert daran und wurde schnell zu einem aktiven Mitglied. Die einheimischen Mitarbeiter besuchten sie zuhause und sprachen auch mit ihrem alkoholabhängigen Mann. Anfangs wollte er gar nichts mit ihnen zu tun haben. Er war auch dagegen, dass seine Frau die Selbsthilfegruppe besucht. “Ich hasse sie alle!”, behauptete er.
Aber die Mitarbeiter waren sehr geduldig. Sie sprachen Jhorna viel Mut zu. Langsam begann sie, kleine Beträge zu sparen. Der erste Kredit, den sie von der Selbsthilfegruppe erhielt, betrug 1000 Taka und damit gründete sie einen kleinen Lebensmittelladen. Zuerst wollte ihr Mann nicht dabei helfen. Doch als er sah, dass seine Frau Geld verdiente, änderte er seine Meinung. Er begann, sie zu unterstützen. Nach einer Weile nahmen sie einen zweiten Kredit über 6000 Taka. Das erhöhte wiederum ihr Einkommen. “Es war ein Fehler, dass ich mich gegen die Selbsthilfegruppe gestellt habe”, gab der Ehemann zu. “Jetzt verstehe ich, wie ihr die Leben der Menschen verändert durch eure Arbeit!”
Vor einem Monat übernahm Jhornas Mann die volle Verantwortung für den Laden. Denn Jhorna fand einen neuen Job als Koch in einer Jugendherberge.
“Jetzt kann ich meinen Kindern drei Mahlzeiten am Tag geben. Wir leben nicht mehr in Armut. Mein Mann hat auch aufgehört, Alkohol zu trinken. Wir leben nun in Frieden miteinander!”, sagt Jhorna. Und auch die Nachbarn sind beeindruckt, die positive Veränderung in Jhornas Familie zu sehen. Der örtliche Partner von Helping Hands hat sich um sie gekümmert wie gute Freunde.
Nurjahan erzählt im Februar 2015:
Es gab eine Zeit, da fürchtete sich Nurjahan jedes Mal, wenn sie das Haus verließ. “Ich habe immer meinen Kopf bedeckt und mich in eine Ecke gedrückt”, erinnert sie sich. Jetzt ist ihr Leben das genaue Gegenteil. Seit sie Mitglied einer Selbsthilfegruppe in Seetpur wurde, sagt sie, “Alles ist jetzt ganz anders. Ich bin viel selbstbewusster!”
“Mein Mann ist Tagelöhner und verdiente nur sehr wenig”, berichtet Nurjahan von früher. “Mit seinem Einkommen konnten wir unsere Grundbedürfnisse nicht erfüllen, die Kinder mussten sogar mit der Schule aufhören. Ich konnte ihnen keine drei Mahlzeiten am Tag geben und sie litten unter Mangelernährung. Oft habe ich im Stillen geweint. Aber ich habe mich auch mit meinem Mann gestritten, weil er die Bedürfnisse seiner Familie nicht erfüllte. Unser Familienleben war eine Hölle.”
Nurjahan begann, nach alternativen Einkommensmöglichkeiten zu suchen. Sie wusste, dass es in Seetpur eine Selbsthilfegruppe gab, in der bedürftige Frauen Kredite bekommen, um verschiedene Einkommensaktivitäten zu starten. Sie hatte auch die Freude auf den Gesichtern der Frauen gesehen, die bereits Kredite erhalten hatten. Also wurde sie im Jahre 2010 ein Mitglied der Gruppe und begann, jede Woche 10 Taka zu sparen. Zuerst nahm sie einen ganz kleinen Kredit und investierte ihn in Gemüseanbau. Später erhielt sie Schulungen über Kleinstunternehmen. Sie fühlte sich ermutigt, selbst ein Kleinstunternehmen zu gründen. Als ihren fünften Kredit nahm sie 14000 Taka (ca. 150 Euro) und eröffnete bei sich zuhause einen Lebensmittelladen.
Diese Investition hat ihr großen Erfolg gebracht. Ihr Leben begann sich zu verändern. Sie verkauft jetzt Reis, Kekse, Öl und andere Dinge, die man zum täglichen Leben braucht. Ihr tägliches Einkommen beträgt etwa 500 Taka (knapp 6 Euro). Ihr Mann hilft ihr im Laden und arbeitet weiterhin als Tagelöhner. Die zwei Kinder gehen jetzt wieder zur Schule und besuchen auch das Seetpur Kinderzentrum.
Ihre Nachbarin Rabaya ist wirklich beeindruckt: “Ich bin sehr überrascht über die Verwandlung in Nurjahan. Früher lieh sie sich von uns Nahrungsmittel aus, jetzt gibt sie selbst den Armen Essen. Sie ist ein großes Vorbild in unserem Dorf!”
Nurjahan ist heute eine der bedeutendsten Personen im Ort. Sie wurde als Vorsitzende der „Uashahi“ Selbsthilfegruppe gewählt – „Uashahi“ bedeutet „Ermutigung“. Viele arbeitslose Frauen kommen zu ihr, um sich Rat zu holen, wie auch sie selbstständig werden können. “Jeder im Dorf weiß, dass ich die erste Vorsitzende der Uashahi Selbsthilfegruppe bin”, erklärt Nurjahan. “Wenn jemand einen Kredit braucht oder Beratung über Kleinstunternehmen, kommen sie zu mir. Ich helfe ihnen sehr gerne!”
Sogar Nurjahans Ehemann fragt um ihre Meinung, wenn es darum geht, in der Familie eine Entscheidung zu treffen. “Wir leben im Frieden miteinander. Er teilt alles mit mir ”, freut sie sich.
Nurjahan ist stolz darauf, wie weit sie es schon gebracht hat, seit sie der Selbsthilfegruppe beigetreten ist. “Früher, wenn Besucher kamen, dann habe ich richtig gezittert, so nervös war ich”, sagt sie. “Aber jetzt bin ich selbstsicherer geworden; jetzt kann ich ganz selbstbewusst aufblicken!”
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