Kreativität und Durchhaltevermögen

„Bisher sind wir noch in Sicherheit, aber das Leben ist extrem schwer geworden. Das ganze Land steht still. Wir wissen nicht, wie es weitergehen wird. Es gibt kein Essen mehr. Oder ich sollte sagen: nur noch für die Reichen. Die Preise sind zu hoch für die wenigen Lebensmittel, die es noch gibt. Die Läden sind leergekauft. Die nächsten Wochen werden sehr hart sein.“ So schrieb Bentina, Gründerin und Direktorin der Arche Schule in Kenia, Ende März. Seitdem hat die Lage sich kontinuierlich verschlimmert. „Lebensmittel sind das größte Problem hier. Die Familien stehen vor einer wirklich schweren Zeit. Meine Familie auch!“

Die Elendsviertel der Großstädte, wo sich Hunderttausende auf engem Raum drängen, sind besonders hart von der Corona-Krise betroffen, und das ist auch im Kariobangi-Slum in Nairobi nicht anders: Social Distancing, perfektionierte Hygiene, Lernen oder Arbeiten von zuhause aus – das alles ist hier unmöglich. „Wir wissen nicht, was wir unseren Lehrern sagen sollen“, erklärt Bentina. „Hier bei uns können wir nichts von daheim aus machen. Die Technik ist zu unterentwickelt, unsere Kinder haben keine Computer zuhause, somit hat Schulunterricht in Afrika einfach aufgehört. Das ist eine sehr traurige Situation für alle Afrikaner!“

Nur wenige Tage nach dem ersten Corona-Fall wurden in Kenia durchgreifende Maßnahmen eingeführt – Schulen, Geschäfte, Büros geschlossen, Versammlungsverbot, nächtliche Ausgangssperre … und ständig kommen neue, härtere Beschränkungen hinzu, die teilweise mit kaum Warnung über Nacht in Kraft treten und das Leben besonders für die gefährdetste Bevölkerungsgruppe schier unerträglich machen.

Innerhalb weniger Tage wurden über 150.000 Menschen in den verschiedenen Slums um Kariobangi arbeitslos. Jetzt stehen die Familien vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen, denn sie sind darauf angewiesen, täglich ihr Geld zum Überleben zu verdienen – zum Beispiel durch kleine Kioske oder Essensverkauf am Straßenrand, als Haushaltshilfe oder Gärtner. Das ist in dieser Lage kaum möglich, wie ein Vertreter unseres Partners beschreibt:

„Die Samosa-Verkäuferin, die vom Verkauf an die Schulkinder lebt, hat keine Kunden mehr. … Der Mann, der sonst äthiopischen Kaffee kocht,  wartet vergebens auf seine Stammkunden. … Die, die sonst im Stau zwischen den Autos alles anbieten, von Erdnüssen über Ladekabel bis zu Schuhregalen, bleiben zu Hause, da es keinen Stau mehr gibt.“ (D. Kroppach)

Besonders alleinerziehende Mütter sind hart getroffen; aber auch die vielen Familien, wo Väter in den Schlachthäusern arbeiteten, die nun geschlossen sind, weil die Beschränkungen den Transport unmöglich machen.

Jetzt hungern Hunderttausende, von denen ohnehin schon viele mangelernährt waren – und wenn das Virus ihren Slum treffen sollte, haben diese Menschen noch weniger Chancen, die Krankheit zu überstehen. Das haben natürlich auch Bentina und ihr Team von engagierten Lehrern erkannt, und stellten in kürzester Zeit einen Plan für präventive Soforthilfe auf die Beine – nicht, um Menschen abhängig von Hilfsleistungen zu machen, sondern um sie in dieser Ausnahmesituation im Kampf ums tägliche Überleben zu unterstützen. Denn die Kinder der Arche erhalten ja auch sonst täglich eine warme Mahlzeit in der Schule, die derzeit wegfällt.  „Die Idee der Hilfe ist, den Familien einen Grundstock zu geben, aber nicht alles zu übernehmen, sondern auch immer noch eine Eigenleistung zu erwarten.“ (D. Kroppach)

Aus jeder Schulklasse wurden 10 besonders bedürftige Familien ausgewählt, die einzeln zur Schule kommen und – unter strengen Regeln zu Hygiene und Mindestabstand – ein Paket mit Lebensmitteln für eine Woche abholen können: Mais, Reis, Zucker, Bohnen, Linsen, Tee, Öl und Seife. „Die Freude war groß, als sie die Lebensmittel in Empfang nehmen durften, “ berichtet unser Partner,  „vor allem bei denen, die schon seit Tagen keine warme Mahlzeit mehr hatten.“

Mehrere Wochen konnten so Verteilungen stattfinden, bis der nächste Schlag drohte: Bei einer Verteilung im größten Slum Nairobis war es zu Zwischenfällen gekommen; zwei Menschen kamen um. Danach wurden Verteilaktionen erst einmal verboten und alle Spenden sollten über Regierungskanäle laufen. Doch glücklicherweise ist Bentina, die Direktorin der Arche Schule, nicht nur sehr mutig, sondern auch vor Ort sehr angesehen und gut vernetzt, und konnte so eine offizielle Erlaubnis bekommen, die Essensverteilungen in Kariobangi weiterzuführen – unter anderem, weil ja die Schulmahlzeit für die Kinder derzeit wegfällt. Es gibt zwar neue Regelungen, zum Beispiel muss jeder erst mit einem „Fieber Gun“ gemessen werden und dann unterschreiben, dass er oder sie ein Paket bekommen hat, aber Bentina und die Lehrer sind froh und erleichtert, dass sie so ihre Familien weiter unterstützen können.

In dieser Lage zeichnet die Arche sich nicht nur im Durchhaltevermögen aus, sondern auch durch eine gute Portion Kreativität. In einer der ersten Verteilaktionen erhielten die Schüler der Klassen 6 bis 8 ein Buch, das zumindest eine Art Unterricht weiter möglich macht. Ein Vertreter unseres Partners beschreibt:

„Durch die Bücher, die wir für die älteren Schüler kaufen konnten, können diese weiter von zu Hause arbeiten. Jeweils zwei Lehrer kommen zur Schule, um sich jeweils einzeln die Sachen anzusehen, die die Schüler gemacht haben. Mehr ist leider momentan nicht möglich, um nicht die Regeln zu brechen. Andere Lehrer haben Videos aufgezeichnet und per WhatsApp an die Schüler gesendet, damit diese wenigstens etwas vom Material bekommen.

Die Nähfrauen fangen jetzt an, Mundschutze zu nähen. Seit gestern ist es eine Vorschrift diese zu tragen, für alle, jederzeit! Das wird den Frauen helfen, ein eigenes Einkommen zu bekommen.“ (D. Kroppach) Wer ohne Mundschutz erwischt wird, muss fast 200 Euro Strafe bezahlen, für die Menschen hier eine ungeheure Summe. Daher haben die Nähfrauen zumindest eine Zeitlang ein kleines gesichertes Einkommen.

Und auch in Kariobangi hat das „digitale Lernen“ nun zaghaft Einzug gehalten. Die Lehrer der Klassen 6 bis 8 nehmen Lektionen auf – bisher auf ihrem privaten Handy; inzwischen konnten zwei neue Telefone gekauft werden, die diese Arbeit deutlich erleichtern – und schicken sie an die Eltern der Kinder. Manche der Familien haben kein Telefon, sodass dann Kinder aus der Nachbarschaft zu zweit die Lektionen anhören.

 

Eine Herausforderung, der die Arche sich noch gegenübersieht, sind die Gehälter der Lehrer. Denn unter den momentanen Umständen können die Eltern kein Schulgeld mehr bezahlen, das für zehn Lehrer und Mitarbeiter (etwa die Hälfte der Angestellten) die Gehaltskosten deckte. Das wird sich auch nach der Krise nicht sofort bessern, da die Familien über Monate hinweg wirtschaftlich beeinträchtigt sein werden. Doch natürlich möchte die Arche ihre Lehrer nicht im Stich lassen.

Wenn Sie sich daran beteiligen möchten, der Arche und ihren Lehrern durch diese schwierige Zeit zu helfen, dann spenden Sie mit dem Vermerk „Coronakrise Kenia“ per Überweisung oder online. Damit tragen Sie dazu bei, dass den Familien im Kariobangi-Slum auch über die Krise hinaus wirkungsvoll geholfen wird und ihre Leben und vor allem die der Kinder nachhaltig verändert werden!

 

Lesen Sie wie unsere Partner in Nepal und in Albanien in Zeiten der Coronakrise Hoffnung bringen.

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