Klimawandel-Projekt in Bangladesch schafft weitreichende nachhaltige Veränderung
Wer Shawpna einmal begegnet ist, vergisst sie nicht so schnell wieder. Die junge Frau aus Mongla im südwestlichen Bangladesch ist nicht nur selbstbewusst, intelligent und attraktiv – sie besitzt auch eine Ausstrahlung, in der ihre bunte Umwelt noch klarer aufleuchtet, eine Präsenz, die einen innehalten lässt. Wenn sie lächelt, fühlt man sich wie sehnlichst vermisste, geliebte Geschwister, und in ihrer ärmlichen Hütte heißt sie Besucher willkommen wie in einem Palast.
Dabei ist Shawpnas Heimat alles andere als ein prächtiges Reich. Immer heftigere Wirbelstürme bedrohen Leben und Besitz der verarmten Bewohner; der Fluss schwemmt aus der bengalischen Bucht nicht nur den Müll des Planeten an, sondern auch immer mehr Salzwasser, das Acker unfruchtbar macht. Auf dem Rückweg reißen die Fluten meterweise Flussufer mit; auch die Sundarban, der größte Mangrovenwald der Welt, kann diesem Angriff nicht ewig trotzen.
Doch Shawpna und ihre Nachbarn haben im Projekt gelernt*, wie sie den Herausforderungen begegnen können. Die Hütte errichten sie höher und binden sie mit Seilen an Bäumen fest, damit der Sturm sie nicht wegreißt. Gegen die Versalzung des Bodens hilft natürlicher Kompost; durch Umstellung auf salzresistentere Pflanzen und Meeresfrüchte oder alternative Erwerbsmöglichkeiten kann das Einkommen gesichert werden.
Auch Shawpna und ihr Bruder setzen diese Maßnahmen bedachtsam um. Doch vor einigen Monaten hatte der Bruder einen Unfall. Dadurch ist Shawpna nun die einzige, die ein Einkommen verdient, um für die betagten Eltern zu sorgen. Ein Projektmitarbeiter vermittelte ihr einen Job, in dem sie für eine andere NRO Studien durchführt. Das ging so lange gut, bis aufgrund der politischen Veränderungen in den USA die Gelder gestoppt wurden und Shawpna ihren Job verlor.
Aber davon ließ die junge Frau sich nicht unterkriegen! Im Dezember hatte sie an einem Bürgerprogramm teilgenommen und wurde auf jemand aufmerksam, der einen Papierstift benutzte. Das brachte sie auf eine neue Geschäftsidee, die gleich mehrere Lösungsansätze bietet: ein Einkommen für sie und andere, eine sauberere Umwelt, nachhaltige Veränderung durch gemeinsames Engagement.
Diese Idee verfolgte sie, schaute sich auf YouTube an, wie man Papierstifte herstellt, kontaktierte NROs, Schulen und Unternehmen, um sich gleich einen kleinen Markt zu schaffen, und begann ihre „Paper-Pen Business“. Das Design erstellt sie in einem Internet-Café in der Stadt und druckt es in einem Copyshop, kauft die Kuli-Minen und rollt zuhause das Papier zu Stiften; 100 Stück schafft sie in etwa fünf Stunden.
Das ist nicht nur eine clevere Geschäftsidee, weil NROs diese Papierstifte toll finden. Shawpna möchte auch tatsächlich einen Unterschied für ihre Umwelt machen. Dafür verkauft sie nicht nur an NROs oder Unternehmen, sondern auch auf dem lokalen Markt. 6 Taka kostet dort ein Plastikkuli, daher verkauft Shawpna ihren Papierkuli ebenfalls für 6 Taka, auch wenn sie dann nur 2 Taka Profit macht. Auf den Stift druckt sie Slogans wie „Schützt die Umwelt“ oder „Vermeidet Plastik – rettet die Sundarban“.
„Ich möchte mich dafür einsetzen, dass der Müll in unseren Flüssen und Teichen abnimmt“, betont sie. „Um die Fische zu schützen – Fische sind unser Lebensunterhalt – und auch die Sundarban.“
Dafür hat sie noch andere Ideen: Zum Beispiel plant sie, preiswerte aber robuste Stofftaschen herzustellen und für den gleichen Preis anzubieten wie die Kunststofftaschen, die man derzeit noch auf dem Markt erhält. Da die Stofftaschen länger halten, ist Shawpna überzeugt, dass sie auch so einen nachhaltigen Unterschied für die Umwelt machen kann, auch wenn ihr Profit dann etwas geringer ausfällt.
Doch nicht nur die Umwelt liegt Shawpna am Herzen. Auch für ihre Nachbarn, für ihre ganze Dorfgemeinschaft möchte sie sich einsetzen.
„Ich hoffe, dass mein Papierstifte-Unternehmen gut läuft, damit ich noch ein paar Frauen dafür einstellen kann“, erklärt sie. „Auch die Stofftaschen machen wir dann gemeinsam. Es ist viel besser, wenn wir ein Team sind und uns die Arbeit teilen.“
In ihrer Selbsthilfegruppe ist Shawpna die Erste Vorsitzende. Auch dort hat sie schon viel bewegt; u.a. haben sich unter ihrer Initiative drei Gruppen zusammengeschlossen – „um uns gegenseitig zu motivieren, nachhaltiger zu sein, voneinander zu lernen, und weil wir uns einfach mögen“, erklären die Frauen. Zusätzlich zu ihren diversen individuellen Kleinstgewerben – zum Beispiel Ziegenzucht, Teestuben oder traditioneller Schmuck – haben die Frauen der drei Gruppen ein gemeinsames Unternehmen für Handarbeiten gegründet und sich einen Markt aufgebaut, „damit wir unabhängig sein können!“
Shawpna ist hier eine treibende Kraft, die ihre Nachbarinnen immer wieder zusammenbringt und motiviert und auch Chancen und Erfolge nicht für sich behält, sondern mit den anderen Frauen teilt. Ihre Zuversicht und Innovation gibt der Gruppe auch eine Zukunft, denn nur mit festem Zusammenhalt können die Frauen sich in ihrem männlich-dominanten Umfeld durchsetzen.
„Im Projekt habe ich eine Menge Schulungen besucht und viel gelernt, sodass ich jetzt in der Lage bin, uns als Gruppe zu vertreten – unsere Rechte einzufordern, unsere Stimme zu erheben, neue Ressourcen zu finden. Nach Abschluss des Projekts werde ich mich darum bemühen, von verschiedenen Regierungsministerien und gleichgesinnten NROs Unterstützung zu erhalten, damit wir so unsere Gruppe langfristig weiterführen können.“
Vor kurzem hat Shawpna ihr Studium in Sozialwissenschaft erfolgreich abgeschlossen. Aber das, was sie braucht, um die positiven Veränderungen in ihrer Dorfgemeinschaft langfristig aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln, hat sie im Projekt gelernt: „Wir haben so viel Wissen und Kenntnisse von euch erhalten – und wir sind jetzt alle sehr selbstbewusst und zuversichtlich!“, betont sie. Vor allem für die Schulungen zum Klimawandel bzw. Klimaschutz ist sie dankbar, „denn jetzt habe ich selbst die Initiative ergriffen, und ohne die Schulungen hätte ich das nicht gewusst.“
Auf die Bemerkung, dass ihr Einsatz für den lokalen Umweltschutz ja auch Auswirkungen für den Rest des Planeten hat, lacht die junge Frau fröhlich: denn in ihren Papierstiften ist ein Geheimnis versteckt.
„In jeden Papierstift rolle ich ein kleines Samenkorn mit ein. Wenn der Stift dann leer ist und weggeworfen wird, wächst ein großer Baum daraus.“
Jeder Stift ein Baum für die Zukunft – Shawpnas Zukunft und die ihrer Familie, ihres Dorfes, ihres weiteren Umfelds … aber auch unsere Zukunft und die unseres Planeten.
Denn Zukunft gestalten, das geht nur gemeinsam.
* Das Projekt zur „Klimawandel-Adaption und Katastrophenrisikominderung“ in Mongla, Bangladesch begann im Herbst 2021 und läuft noch bis Ende April 2025. Ein kurzes Erklär-Video zu diesem Projekt finden Sie hier.