Ein neues Kapitel der alten Geschichte

„Es wirkt wie ein chemisches Experiment, das Verstecktes plötzlich hervorhebt. Als Läden, Restaurants, Fabriken und die Bauindustrie geschlossen wurden, als die Reichen und die Mittelschicht sich in ihre umzäunten Kolonien zurückzogen, begannen unsere Städte und Megacities die Arbeiter auszuspucken – die Wanderarbeiter – so wie einen ungewollten Haufen.

Viele, die von ihren Arbeitgebern oder Vermietern herausgeworfen worden waren, Millionen Verarmter, hungriger, durstiger Menschen, Jung und Alt, Männer, Frauen, Kinder, Kranke, Blinde, Behinderte, die keinen Ort mehr hatten, ohne öffentliche Verkehrsmittel, machten sich auf einen langen Marsch nach Hause in ihre Dörfer. Sie wanderten über Tage (…) – hunderte von Kilometern. Einige starben auf dem Weg. Sie wussten, sie würden nach Hause kommen und möglicherweise langsam verhungern.“      (Booker-Preis-Autorin Arundhati Roy über ihr Heimatland Indien; faz.de 14.04.2020)

Die fatalen Auswirkungen der Coronakrise lassen sich nicht in Fallzahlen messen. In zahlreichen Ländern der Welt gibt es nur wenige bestätigte Erkrankte – und trotzdem droht Millionen der Tod. Die Vereinten Nationen sprechen von „Hungersnöten biblischer Ausmaße binnen weniger Monate“ und warnen, dass die Zahl der Menschen, die unter akutem Hunger leiden, sich weltweit durch die Krise verdoppeln wird, sodass „ohne humanitäre Hilfe … über einen Dreimonatszeitraum täglich 300.000 Menschen verhungern [könnten]“ (zdf.de 22.04.2020).

Eine übertriebene Prognose? Wohl kaum. Bereits seit Wochen berichten unsere Partner in Kenia und Bangladesch, in Nepal und Albanien und anderswo, dass die Familien in ihrem Umfeld schon jetzt nichts mehr zu essen haben. Ausgangssperre bedeutet: Millionen haben keine Chance mehr, ein Einkommen zu verdienen. Felder dürfen nicht bestellt werden, sodass auch langfristig keine Besserung in Sicht ist. Wer doch auf die Straße geht, wird verprügelt oder bekommt eine Haftstrafe. Und selbst wenn sie Geld hätten: Die meisten Lebensmittel können sich ohnehin nur noch die Reichen leisten, denn die Preise stiegen teilweise über Nacht aufs Fünffache. So nie-dagewesen diese Coronakrise ist, eigentlich schreibt sie nur ein neues Kapitel der alten Geschichte: Die Reichen profitieren, die Armen leiden. Und die Kluft zwischen Arm und Reich ist so groß wie eh und je.

Doch davon haben sich unsere Partner noch nie beeindrucken lassen. Sie packen an, wo es nötig ist, und stehen ihren Nachbarn zur Seite, leisten Hilfe dort, wo die Menschen besonders benachteiligt sind, wo die Kluft die größten Wunden hinterlässt. Und es erreichen uns immer mehr Berichte, nicht nur von der überwältigenden Not, sondern von den kleinen und großen Maßnahmen, die unsere Partner planen und durchführen, um diese Not zu lindern und neue Hoffnung zu schenken in einer Zeit der Unsicherheit und Verzweiflung.

So wie unser Partner in Nepal. Weniger als 50 Personen wurden dort positiv auf das Virus getestet; es gab noch keinen Todesfall. Trotzdem ist das Land seit Mitte März unter „Lockdown“. Die Menschen haben Angst, vor allem aber leiden sie unter Hunger, denn Lebensmittel sind knapp und viele haben ihr Einkommen verloren. Besonders die Wanderarbeiter im Kathmandu-Tal sind gefährdet, denn sie können weder Geld verdienen, um Essen und Miete zu bezahlen, noch können sie in ihre Heimatdörfer zurückkehren. Unser Partner, NCM Nepal, erhielt zahlreiche Anfragen für Nothilfe, und wählte schließlich sieben Orte im Kathmandu-Tal aus. Dort verteilten sie – natürlich unter strengen Sicherheitsvorkehrungen – an 450 Familien jeweils 25kg Reis, 2kg Linsen, 2kg Zucker, 2 Liter Öl, 2kg Salz und 2 Stück Seife. „Es war so wundervoll, diesen Menschen in ihrer Angst und Unsicherheit ein kleines Lächeln aufs Gesicht zu zaubern!“, berichteten unsere Kollegen vor Ort nach der Verteilung.

Eine dieser lächelnden Menschen ist Rukmini. Ihr Mann starb vor acht Jahren und sie hat kein Stück Land, wo sie Gemüse anbauen könnte. Daher ernährt die 45-Jährige ihre beiden Söhne dadurch, dass sie bei Nachbarn Geschirr spült, jeden Tag außer Samstag. Sie berichtet:

„Wir sind zu dritt: meine zwei Söhne und ich. Nach zwei Wochen Lockdown in Nepal habe ich kein Essen mehr für meine Familie. Sonst gehe ich zu meinen Nachbarn, um durch Geschirr spülen Geld zu verdienen. Aber als der Lockdown begann, wurde mir gesagt, dass ich nicht zu ihrem Haus gehen soll, sondern daheim bleiben. Die Nahrungsmittel, die ich in der Wohnung hatte, waren kaum genug für eine Woche. Ich zerbrach mir den Kopf, wie und was ich meinen Kindern zum Essen geben kann! Keine Arbeit heißt kein Geld. … Dann kam NCM Nepal mit Nothilfepaketen, welch ein Segen! Die Lebensmittel sind genug für uns für einen ganzen Monat. Ich bin so dankbar und meine Familie wird beten für alle, die uns in dieser schwierigen Stunde helfende Hände gereicht haben!“

Lesen Sie wie unsere Partner in Kenia und in Albanien in Zeiten der Coronakrise Hoffnung bringen.

Helping Hands engagiert sich besonders in der längerfristigen Wiederaufbauhilfe nach Katastrophen. Durch eine Spende mit dem Vermerk „Coronakrise“ tragen Sie dazu bei, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern Kindern und Familien darin unterstützen können, eine neue Perspektive für die Zukunft zu finden. So werden die Lebensumstände der Familien nachhaltig verbessert und sie sind dadurch vor weiteren Katastrophen besser geschützt.

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